Vom 16. bis zum 18. Juni 2011 fand in Frankfurt die Tagung „Bilder der Antike“ statt, die die diesjährige Mitgliederversammlung der Mommsen-Gesellschaft rahmte. Die Gesamtbesucherzahl der Tagung ist nicht präzise zu beziffern. Im Durchschnitt besuchten knapp 100 Personen die Vortrags- und Diskussionsblöcke, davon schätzungsweise ein Viertel bis ein Drittel Studierende. Beim Abendvortrag von H.-J. Gehrke am 17. 6. war die Historische Aula der Universität gefüllt. Das Programm konnte wie vorgesehen durchgeführt werden, Änderungen ergaben sich lediglich beim Themenblock IV, wo J. Schüring von L. Fischer vertreten wurde, beim Themenbock II, wo der Vortrag von D. Pausch ausfiel, sowie bei der Abschlußdiskussion, die direkt an den letzten Themenblock angeschlossen wurde.
Die Hoffnungen auf lebhafte und intensive Diskussionen wurden erfüllt; die für jeden Vortragsblock (4 Kurzvorträge à 15 Minuten) angesetzte Diskussionszeit von 40 Minuten genügte in keinem Fall um die Fülle der angesprochenen Fragen und Thesen erschöpfend abzuarbeiten, und nur sehr selten gab es wohlfeile oder banale Ratschläge an die jeweils andere Seite zu hören. Das lag vielleicht nicht zuletzt daran, dass die überwiegende Mehrzahl der Medienvertreter ursprünglich aus dem Lager der Altertumsforscher stammte und somit die Interessen und Bedürfnisse beider Seiten aus eigener Erfahrung kannte. Im Folgenden seien die einzelnen Themenblöcke ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Repräsentativität knapp skizzierte, um einen Eindruck von der Veranstaltung zu vermitteln.
Mit seinem Eröffnungsvortrag im 1. Themenblock (Verlagswesen) setzte St. von der Lahr (C. H. Beck, München) in Hinsicht auf Offenheit der Diskussion und Klarheit der Thesen Maßstäbe für den weiteren Verlauf der Veranstaltung mit seiner ebenso provokanten wie amüsant illustrierten Feststellung, dass die Schreibfähigkeit altertumswissenschaftlicher Autoren zunehmend zu wünschen übrig lasse. A. Nünnerich-Asmus (Wienand-Verlag Köln, früher Philipp von Zabern, Mainz) demonstrierte die Zusammensetzung des Leserspektrums eines altertums- bzw. kunstwissenschaftlich ausgerichteten Verlages und die daraus sich ergebenden Konsequenzen für die Themenwahl. P. Schollmeyer (Universität Mainz) schilderte ebenso subtil wie anschaulich die Zumutungen und Zwänge zu Abstrichen an wissenschaftlicher Seriosität, denen ein Autor auch eines eingeführten Wissenschaftsverlages ausgesetzt sein kann, wenn betriebswirtschaftliche Aspekte das Publikationsgeschehen allzu einseitig dominieren.
Im Themenblock II (Museen und Ausstellungen) informierte N. Willburger (Landesmuseum Württemberg, Stuttgart) auf der Grundlage von Erhebungen und Umfragen über die Zusammensetzung des Besucherspektrums, die daraus sich ergebenden Folgerungen für die Wahl von Ausstellungsthemen und Wege zur Optimierung von Vermittlung. Ch. Trümpler (früher Ruhrlandmuseum Essen) widerlegte die verbreitete Vorstellung der Abhängigkeit der Ausstellungsmacher von Wirtschaft und Politik in inhaltlichen Fragen, machte jedoch auch deutlich, wie viel Überzeugungskraft und Engagement nötig ist, um die erforderliche Unterstützung für die Umsetzung eigener Ideen zu erlangen. Ein wesentliches Resultat dieses Themenblocks war zweifellos die Erkenntnis, unter wie unterschiedlichen Bedingungen einzelne Museen und Ausstellungen organisiert werden müssen, und wie verschieden Reichweiten und Wirksamkeit von Vermittlungsmethoden sein können.
Der Themenblock III (Film und Fernsehen) hielt Beiträge bereit, die sowohl zu Optimismus als auch zu Resignation Anlaß gaben. M. Lindner (Universität Göttingen) referierte über Lehrfilme, die Schülern ein einseitiges Bild der römischen Kultur vermitteln (eine Gesellschaft ohne Frauen, die fast nur aus dem Heer besteht). A. Juraske (Universität Wien) berichtete über den zunehmenden Trend bei Informationssendungen im Fernsehen, auf begleitende Kommentare von Wissenschaftlern zu verzichten und stattdessen die beteiligten Schauspieler nach ihren Eindrücken zu fragen. Positives wusste hingegen Ch. Schäfer (Universität Trier) zu berichten, der über die erfolgreiche und ausbaufähige Zusammenarbeit in Rekonstruktionsfragen sprach.
Im Themenblock IV (Presse) informierte H. Kieburg (Antike Welt) über die Zusammensetzung und Lesegewohnheiten einer auf Archäologie und Kulturgeschichte zugeschnittenen populärwissenschaftlichen Zeitschrift. U. Walter und F. Bernstein setzten sich mit dem Thema „Altertumswissenschaften in der Tagespresse“ auseinander, ersterer als forschend aktiver Althistoriker, der regelmäßig in einer führenden deutschen Tageszeitung schreibt, der zweite aus der Sicht „eines lesenden Altertumswissenschaftlers“. Unbestritten ist, dass altertumswissenschaftliche Themen nur für eine verschwindend geringe Zahl von „Qualitätszeitungen“ eine Rolle spielen; nicht einheitlich beurteilt wurde die Frage nach dem Spektrum der berücksichtigten Themen und Ansätze. Dabei stand außer Frage, dass es nicht die Aufgabe der Tagespresse ist, fachspezifische Trends und Diskussionen adäquat abzubilden.
Abendvortrag am 17. 6.
In der vollbesetzten Aula sprach H.-J. Gehrke, Althistoriker aus Freiburg i. Br. und bis vor Kurzem Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts, zum Thema „Lobbying for the Classics. Die Vermittlung der Altertumswissenschaft im politischen Raum“. Er skizzierte zunächst Spielräume und Spielregeln der Politik, soweit sie für das gegebene Thema von Bedeutung sind, um daraus Möglichkeiten abzuleiten, im Interesse der Altertumswissenschaft tätig zu werden. Ingesamt diagnostizierte Gehrke eine verbreitete Aufgeschlossenheit gegenüber altertumswissenschaftlichen Anliegen, deren Nutzung freilich geeigneter „Türöffner“, etwa durch publikumswirksame Grabungsfunde und dergl., bedürfe.
Der Themenblock V (Theater) fiel thematisch naturgemäß etwas aus dem Rahmen, weil niemand die Vermittlung von Forschungsergebnissen als Aufgabe des Theaters definieren würde, dennoch (oder vielleicht deshalb) fielen die hier präsentieren Beiträge besonders interessant aus. C. Birnbaum, der Leiter des Händel-Hauses in Halle, berichtete über antike bzw. antikisierende Stoffe im Werk G. F. Händels und den Umgang des modernen Opernbetriebes damit. U. Sinn (Universität Würzburg) stellte eine zumindest in Deutschland wohl einmalige Kooperation zwischen den Altertumswissenschaften der Universität Würzburg, dem dortigen Mainfranken Theater und einer Arbeitsgemeinschaft Würzburger Bürger vor, die gemeinsam antike Dramen auf die Bühne bringen und dabei im Vorfeld auch Forschungsmeinungen und -ergebnisse thematisieren.
Der abschließende Themenblock VI (Vermittlung altertumswissenschaftlicher Themen in den Nachbarländern) bot einen Ausblick auf die Situation bei einigen unserer Nachbarn. Mochte es auf den ersten Blick scheinen, also ob die Verhältnisse und Probleme überall die gleichen seien, so zeigten sich doch im Detail gelegentlich signifikante Eigenheiten. J. Bartels (Universität Zürich) berichtete, dass das in Deutschland so populäre und kontrovers diskutierte Troja-Thema in der Schweiz kaum Resonanz gefunden habe, ganz im Gegensatz zu heimatkundlichen Gegenständen. A. Jacquemin (Universität Straßburg) fächerte ein Spektrum an Ausstellungen in Frankreich auf, das von reiner Besucherzahlfixierung bis zu forschungsrelevanter Thematik reichte, und C. Sotinel (Universität Paris-Est, Créteil) sprach über das Antikebild französischer Comics.
Es war nicht zu erwarten, dass die Tagung Patentrezepte für den Umgang von Forschern und Medienschaffenden miteinander liefern würde. Das gegenseitige Verständnis wurde aber mit Sicherheit erheblich gefördert, und die stets intensiven und immer als zu kurz empfundenen Diskussionen belegten das lebhafte Interesse am Thema, das nach übereinstimmender Ansicht der Teilnehmer keineswegs ausgeschöpft werden konnte.
Eine Besprechung eines Teiles der ersten beiden Vortragsblöcke am 16. 6. von St. Toepfer ist in der F.A.Z. (Rhein-Main-Zeitung) am 17. 6. 2011 erschienen. Dafür, dass diese erfolgreiche Tagung möglich war, danken die Veranstalter der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität sowie der FAZIT-Stiftung sehr herzlich.
Für die Veranstalter: Prof. Dr. Wulf Raeck