Unsichtbare Bauten. Präsenz, Wahrnehmung und Wirkung immaterieller Architektur in Rom
Im antiken Rom konnten Bauwerke, obwohl sie in der gegenwärtigen Stadt abwesend waren, in diversen Medien und Kontexten wirkmächtig in Erscheinung treten. Zeit oder Irrealität erzeugte eine Distanz, die sie der Sichtbarkeit und Materialität entzog, aber Imagination verhalf verschwundenen, projektierten und unrealisierten Bauten zu Präsenz und Wirkung. In der Wahrnehmung des wissenden Betrachters überlagerte sich die Architektur mehrerer Zeitschichten und formte so ein vielschichtiges Stadtbild. Bislang fehlt es den Altertumswissenschaften an Bewusstsein und Aufmerksamkeit für dieses Phänomen. Daher soll die unsichtbare Architektur Roms in dieser Dissertation erstmals differenziert untersucht werden. Sie fragt, welche gesellschaftliche Wirkung Architektur jenseits ihrer physischen Präsenz entfaltete und wie imaginierte Bauten in sozio-politische Diskurse eingebettet waren. Der Fokus richtet sich auf das 1. Jahrhundert v. und n. Chr., da sich in jener Zeit in Rom eine urbanistisch wie politisch fundamentale Transformation vollzog, während der unsichtbare Bauten gehäuft auftraten. Damit scheinen sie Zeitzeichen zu sein, die Turbulenzen markieren und zugleich den Zeitgeist reflektieren. Die Untersuchung beginnt mit einer gezielten Durchsicht literarischen wie archäologischen Materials; daraus werden signifikante Beispiele ausgewählt und in Fallstudien analysiert; anschließend werden die Einzelergebnisse verglichen und übergreifend interpretiert. Diese Dissertation möchte als Grundlagenwerk aufzeigen, dass sich die Bedeutung von Architektur von ihrer Materialität loslösen konnte und ein übertragbares Interpretationsmodell für die Untersuchung unsichtbarer Bauten entwickeln. Sie kann damit eine innovative und interdisziplinäre Perspektive eröffnen, um antike Architektur in ihrem kulturellen Kontext zu betrachten.