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Mai 21Dienstag, 21. Mai 2024 15:38Alexandra Eckert, Göttingen
Alexandra Eckert gibt einen Einblick in Ihre Habilitationsschrift:( 1 ) Die athenische Demokratie im 5. Jh. v. Chr. – von Oligarchen bedroht
Das Athen des 5. Jh.s. v. Chr. gilt allgemein als erste Hochphase der Demokratie in der Geschichte. Bis heute steht die Ausformung der athenischen Demokratie im Fokus der Forschung. Die Frage, welche Rolle die Oligarchie in Athen spielte, hat im Vergleich dazu bisher kaum Aufmerksamkeit gefunden. Jedoch gab es bereits in der ersten Hälfte des 5. Jh.s v. Chr. Verschwörungen gegen die Demokratie, am Ende des 5. Jh. s. v. Chr. stürzten Oligarchen sogar zweimal die Demokratie in Athen.
Die Studie Der oligarchische Schatten der Demokratie (Habilitationsschrift, Universität Göttingen 2023) wendet sich dem Spannungsfeld zwischen Demokratie und Oligarchie im Athen des 5. Jh.s v. Chr. erstmals umfassend zu. Sie fragt nach den Anfängen von Oligarchie in Athen und arbeitet die Konfliktlinien zwischen Anhängern der Oligarchie und der Demokratie im 5. Jh. v. Chr. heraus. Die Bezeichnung „oligarchischer Schatten“ ist dabei auf mehrfache Weise zu verstehen. Gegen die Demokratie gerichtete Handlungen von oligarchisch geprägten Akteuren waren ein ständiger Begleiter der athenischen Demokratie über das gesamte 5. Jh. v. Chr. hinweg. Zu bestimmten Zeiten war der oligarchische Schatten eine schwer auszumachende, nur in Umrissen erkennbare, schemenhafte Erscheinung. Zu anderen Zeiten trat der oligarchische Schatten deutlicher hervor. Er stellte eine latente Bedrohung für die Demokratie dar, da es immer wieder zu Konflikten zwischen oligarchisch und demokratisch gesinnten Athenern kam. Am Ende des 5. Jh.s v. Chr. wurde dieses Bedrohungspotential für die Athener in vollem Umfang sichtbar. Der oligarchische Schatten legte sich über das demokratische Athen, als Oligarchen bei den Umstürzen von 411 und 404/3 v. Chr. zweimal gewaltsam die Demokratie abschafften. Die Studie beleuchtet erstmals auch umfassend die wichtige Rolle von Metöken für die athenische Demokratie. Metöken, die als dauerhaft übergesiedelte Personen ohne Bürgerrecht in Athen lebten, unterstützten bei beiden oligarchischen Umstürzen die Demokraten und trugen so als Zünglein an der Waage entscheidend zur Rückgewinnung der athenischen Demokratie bei.
( 2 ) Ein innovativer Ansatz – Demokratie und Oligarchie als antagonistische Wertesysteme
Bisherige Untersuchungen behandelten das Phänomen Oligarchie in Athen vor allem aus einer verfassungs- und politikgeschichtlichen Perspektive. Die Habilitationsschrift Der oligarchische Schatten der Demokratie betritt methodisch Neuland, indem sie Demokratie und Oligarchie als grundsätzlich verschiedene Wertesysteme versteht, die Haltungen und Handlungen von Akteuren in Athen prägten. Die Arbeit fragt nach charakteristischen Wertvorstellungen von demokratischen wie oligarchischen Athenern und damit verbundenen Praktiken. Athener Demokraten betrachteten die Gleichheit als zentralen Wert. Sie verfolgten daher das Ziel, möglichst breite Kreise der freien Bevölkerung unabhängig von Vermögen und sozialer Herkunft in das öffentliche Leben der Polis einzubinden. Im Unterschied dazu betonten Oligarchen die Ungleichheit und strebten nach einer exklusiven Privilegierung der Vermögenden in allen das öffentliche Leben der Polis Athen betreffenden Bereichen. Das Spannungsfeld zwischen diesen beiden so gegensätzlichen Wertesystemen hatte Konfliktlinien zwischen Demokraten und Oligarchen innerhalb der athenischen Gesellschaft zur Folge.
Die Studie untersucht die Ursprünge von oligarchischen Haltungen und Handlungen in Athen und verfolgt die Konfliktlinien zwischen Oligarchen und Demokraten über das gesamte 5. Jh. v. Chr. hinweg bis zur Kulmination der Spannungen in den beiden oligarchischen Umstürzen. Die schwierige militärische Situation Athens nach der sizilischen Katastrophe 413 v. Chr. und die endgültige Niederlage Athens gegen die Spartaner im Peloponnesischen Krieg 404 v. Chr. stellten die Anlässe für die beiden oligarchischen Umstürze dar. Die Ursache dafür, dass für bestimmte vermögende Athener ein gewaltsamer Sturz der Demokratie überhaupt vorstellbar und wünschenswert war, lagen jedoch tiefer. Sie sind in der langen Tradition oligarchischer Einstellungen bei bestimmten Mitgliedern der wohlhabenden Elite Athens zu sehen.