Protest des Zweiten Vorsitzenden der MG Prof. Hammerstaedt betr. der Lehrstuhl-Streichungen an der Uni Frankfurt/M.
An das Dekanekollegium des
Fachbereichs 09 Sprach- und Kulturwissenschaften
der Goethe-Universität Frankfurt
Betrifft: Geplante Zusammenlegungen von Professuren (Latinistik+Gräzistik sowie
Klassische Archäologie+Archäologie und Geschichte der Römischen Provinzen) und
weitere Streichungen archäologischer Professuren
Köln, 5. April 2024
Spectabiles, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
in Namen der Mommsen-Gesellschaft protestiere ich gegen die im Dekanat Ihres
Fachbereich beratenen Zusammenlegungen von Professuren im Institut für Klassische
Philologie und im Institut für Archäologische Wissenschaften.
Unser Protest richtet sich zum einen gegen Ihre Pläne, am Institut für Klassische
Philologie den Latinistiklehrstuhl nach dem Ausscheiden von Prof. Dr. Hans Bernsdorff
zu streichen und ab 2032 die beiden Fächer der Lateinischen und der Griechischen
Philologie in eine einzige Professur zusammenzuführen, die ab 2025 als gräzistisch
qualifizierte W2-Tenure-Track-Professur die Nachfolge des Gräzistiklehrstuhls
übernimmt, deren Stelleninhaber/in sich in der Qualifikationsphase dann aber in
Latinistik qualifizieren soll.
Zum anderen nehmen wir Stellung gegen Ihr weiteres Vorhaben, am Institut für
Archäologische Wissenschaften den Lehrstuhl für Klassische Archäologie nach dem
Ausscheiden von Prof. Dr. Anja Klöckner ab 2035 zunächst durch den Inhaber des
Lehrstuhls für Archäologie und Geschichte der Römischen Provinzen, Prof. Dr. Markus
Scholz mitvertreten zu lassen, in einem nächsten Schritt nach dessen Ausscheiden
2037 eine einzige W2-Professur auszuschreiben, deren noch zu bestimmende
Denomination sowohl die Klassische Archäologie als aus die Archäologie und
Geschichte der Römischen Provinzen umfassen soll, und schließlich 2044 die W2-
Professur für die Archäologie von Münze, Geld und von Wirtschaft der Antike nach
Pensionierung der Stelleninhaberin Prof. Dr. Fleur Kemmers zu einer Professur für
Klassische Archäologie oder Provinzialrömische Archäologie umzuwidmen und die
erst 2023 eingerichtete Professur für Islamische Archäologie und Kunstgeschichte
nach dem Ausscheiden der Stelleninhaberin Prof. Dr. Hagit Nol nicht wieder neu zu
besetzen.
Beide Pläne würden nicht nur durch massiven Stellenabbau, sondern auch infolge der
Zusammenlegung von inhaltlich und methodisch sich deutlich unterscheidenden
altertumswissenschaftlichen Disziplinen zu einem folgenschweren Profilverlust der
betroffenen wissenschaftlichen Fächer führen. Als Studienort für
Altertumswissenschaften würde Frankfurt im Vergleich zu den beiden anderen
hessischen Universitätsstandorten Marburg und Gießen seine über viele Jahrzehnte
erfolgreich aufgebauten und bis in jüngste Zeit weiterentwickelten Standortvorteile
aufgeben und erheblich an Attraktivität verlieren. Die Aussichten, dass die betroffenen
Fächer auch in Zukunft anspruchsvolle und angesehene Forschungsprojekte
einwerben können, würden stark beeinträchtigt. Und der beabsichtigte Umgang mit
den beiden mit großzügiger Finanzierung der VW-Stiftung eingerichteten Professuren
nach dem Ausscheiden der Kolleginnen Kemmers und Nol dürfte auch die anderen
bedeutenden Förderinstitutionen aufhorchen lassen und die Chancen für ähnliche
Förderung in der Zukunft zunichte machen.
Die schweren mittel- und langfristigen Folgen der für die Altertumswissenschaften im
Fachbereich 09 beabsichtigten Maßnahmen stehen in keinem vernünftigen Verhältnis
zu den erhofften Einsparungen. Vielmehr drohen sie in eine dauerhafte Abwärtsspirale
zu führen, die dann weitere Sparpläne erforderlich machen würde. Das über ein
Jahrhundert sinnvoll und überzeugend herausgebildete Profil der bundesweit und
international in hoher Reputation stehenden Frankfurter Altertumswissenschaften
würde ohne wirklichen Gewinn preisgegeben.
Auch aus fachlicher Sicht können die angedachten Pläne zur Zusammenlegung von
Professuren, die verschiedene Disziplinen vertreten, nicht funktionieren, weder in der
Klassischen Philologie noch in den Archäologien.
Gräzistik und Latinistik steht zwar inhaltlich in engem Bezug zueinander. Doch könnte
eine einzige Professur die beiden inhaltlich sehr weit ausgedehnten und sogar
methodisch in mancher Hinsicht sich unterscheidenden Fächer nicht in erforderlichem
Maße in Lehre und Forschung bedienen. Zu umfangreich sind die jeweiligen
Herausforderungen. Im Gegensatz zu den modernen Philologien sind die
Aufgabenbereiche in Latinistik und Gräzistik nicht verteilt auf Professuren für die
jeweilige Literatur- und Sprachgeschichte bzw. -wissenschaft, sondern die
Erforschung und Vermittlung der jeweils viele Jahrhunderte umfassenden Sprach- und
Literaturgeschichte gehört insgesamt in den Aufgabenbereich einer latinistischen bzw.
einer gräzistischen Professur. Zudem sind in beiden Fächern eine Jahrtausende
umfassende Rezeptionsgeschichte, die für die griechische und für die lateinische
Literatur und Sprache stark unterschiedliche Ausprägungen und damit verbundene
Forschungsfragen bietet, und die im Vergleich zu jüngeren Philologien bereits viele
Jahrhunderte lang ausgebildete und breit verzweigte Forschungsgeschichte zu
überblicken. Eine einzige, Latinistik und Gräzistik bedienende Professur würde daher
der Bedeutung beider Fächer nicht gerecht. Aufgrund der Erfordernisse der
Lehramtsausbildung in der Latinistik würde die geplante Zusammenlegung in
besonderem Maße das Griechische beeinträchtigen. Dabei bietet gerade das Rhein-
Main-Gebiet mit seiner hohen Dichte an Schulen mit altsprachlichem Schwerpunkt
hervorragende Bedingungen für eine praxisnahe Latein- und
Griechischlehramtsausbildung. Aber auch die Latinistik nähme Schaden. Besonders
begabte Studierende, die für eine Promotion infrage kämen, aber auch ausländische
Gastwissenschaftler würden sich eher für Standorte entscheiden, an denen beide
Philologien voll ausgeprägt sind. Auch für benachbarte Fächer wie Archäologie,
Philosophie und Alte Geschichte ist eine enge Vernetzung mit Gräzistik unerlässlich.
Und wie der Namengeber der Universität Frankfurt zu der geplanten Aufgabe der
Eigenständigkeit der Gräzistik gestanden hätte, kann man sich unschwer vorstellen.
Klassische Archäologie und Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen
überschneiden sich ebenfalls in gewissen Bereichen, sind aber, ungeachtet der sich
teilweise ähnelnden Fachbezeichnungen, unterschiedliche, selbständige und
gleichberechtigte Fächer. Die behandelten Regionen, die Forschungsziele bzw.
Fragestellungen und die dafür zu betrachtenden Quellen unterscheiden sich ebenso
wie die daraus abgeleitete Methodik. Während die Klassische Archäologie in Frankfurt
in erster Linie kultur- und bildwissenschaftlich ausgerichtet ist und vorrangig den
Mittelmeerraum betrachtet, arbeitet die Archäologie und Geschichte der römischen
Provinzen historisch-ethnographisch und behandelt schwerpunktmäßig die römischen
Regionen nördlich der Alpen und entlang der Donau. Die verschiedene Befundlage
innerhalb dieser Regionen erfordert auch bei der Feldforschung ein unterschiedliches
Methodenspektrum, das in der Klassischen Archäologie auch Bauforschung und
Architektur einschließt, während in der Archäologie und Geschichte der römischen
Provinzen die vorwiegend als Erdbefunde überlieferten Bodenstrukturen in den
römischen Nordwestprovinzen eine spezifische Grabungstechnik, insbesondere bei
organischer Erhaltung in Feuchtböden, erfordern. Auch außerhalb des
deutschsprachigen Bereichs haben die beiden Disziplinen eine selbstständige
Existenz. Im anglophonen Bereich ist eine Klassische Archäologie, wie sie in Frankfurt
profiliert ist, eher der ‘Ancient Art’, und die Archäologie und Geschichte der römischen
Provinzen eher der ‘Archaeology’ zuzurechnen.
Die erheblichen inhaltlichen und methodischen Unterschiede beider Fächer eröffnen
auch jenseits der akademischen Laufbahn sich unterscheidende Berufsaussichten: die
Klassische Archäologie qualifiziert eher zur Betreuung von Museen und Sammlungen,
während die Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen besonders zu
Denkmalpflege – einem gesetzlichen Auftrag! – und zu Feldarchäologie befähigt.
Wenn die Ausbildung nicht mehr durch Fachvertreter mit spezifischer Venia legendi
erfolgt, sind die Absolventen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr konkurrenzfähig. Eine
Vermengung beider Fächer in einer einzigen ‘Synergieprofessur’ würde zwangsläufig
zur Vernachlässigung des einen oder des anderen Fachs führen. Im universitären
Wettbewerb und auf dem Arbeitsmarkt hätte dies schlimme Folgen.
Abgesehen von den Nachteilen, die die Zusammenlegung selbst mit sich bringen
würde, würde auch die geplante Abfolge der Sparmaßnahmen weitere Schäden
verursachen. Zwei Jahre lang würden Aufgaben der Klassischen Archäologie durch
den Inhaber der Professur für Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen
mitversehen, anschließend beide Fächer zusammengelegt, bis dieser einzigen
Professur mit bislang ungeklärter Denomination schließlich, einhergehend mit der
Abschaffung der deutschlandweit einzigen Professur für antike Numismatik
(Archäologie von Münze, Geld und Wirtschaft der Antike), eine dann wieder neu
einzurichtende Professur für Klassische Archäologie oder für Archäologie und
Geschichte der römischen Provinzen an die Seite gestellt würde. Die letztgenannte
Maßnahme verrät im Übrigen, dass auch in Ihrem Dekanekollegium die Vertretung von
Klassischer Archäologie und Geschichte und Archäologie der Römischen Provinzen
durch eine einzige Professur als eine unbefriedigende Lösung empfunden wird.
In der Außensicht wären diese Maßnahmen jedenfalls schwer durchschaubar und
hätten fatale Auswirkungen für alle drei betroffenen Fächer. Es würde eine langfristige
Unsicherheit geschaffen, die zwangsläufig zur Meidung des Studienstandorts
Frankfurt führen würde. Und was wird dann aus wertvollen universitären Sammlungen,
die von den drei Fächern betreut werden, wenn die Professuren nicht mehr vorhanden
sind?
Derzeit hat Frankfurt im Bereich der Archäologien ein einzigartiges, weithin sichtbares
Profil herausgebildet, das in seiner Ausdifferenzierung zu fruchtbarer Synergie mit
wichtigen lokalen Institutionen führt (Städelmuseum, Liebieghaus, Römisch-
Germanische Kommission des DAI etc.). Die eigenständige Profilierung der drei
Fächer hat die beachtlichen Erfolge bei der Einwerbung von Drittmitteln überhaupt erst
ermöglicht. Mit den geplanten Maßnahmen würde all dies aufs Spiel gesetzt.
Uns ist selbstverständlich bewusst, dass die geplanten Sparmaßnahmen von
finanziellen Engpässen verursacht sind, auf die der Fachbereich 09 zu reagieren hat.
Doch führen die Maßnahmen, die derzeit geplant sind, zu langfristigen Schäden, die
das erhoffte Einsparpotential bei weitem übersteigen. Daher fordern wir Sie dringend
auf, diese Pläne nicht so beschließen, sondern die Suche nach verträglicheren
Lösungen fortzusetzen.
Hochachtungsvoll
Jürgen Hammerstaedt
Fachbereichs 09 Sprach- und Kulturwissenschaften
der Goethe-Universität Frankfurt
Betrifft: Geplante Zusammenlegungen von Professuren (Latinistik+Gräzistik sowie
Klassische Archäologie+Archäologie und Geschichte der Römischen Provinzen) und
weitere Streichungen archäologischer Professuren
Köln, 5. April 2024
Spectabiles, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
in Namen der Mommsen-Gesellschaft protestiere ich gegen die im Dekanat Ihres
Fachbereich beratenen Zusammenlegungen von Professuren im Institut für Klassische
Philologie und im Institut für Archäologische Wissenschaften.
Unser Protest richtet sich zum einen gegen Ihre Pläne, am Institut für Klassische
Philologie den Latinistiklehrstuhl nach dem Ausscheiden von Prof. Dr. Hans Bernsdorff
zu streichen und ab 2032 die beiden Fächer der Lateinischen und der Griechischen
Philologie in eine einzige Professur zusammenzuführen, die ab 2025 als gräzistisch
qualifizierte W2-Tenure-Track-Professur die Nachfolge des Gräzistiklehrstuhls
übernimmt, deren Stelleninhaber/in sich in der Qualifikationsphase dann aber in
Latinistik qualifizieren soll.
Zum anderen nehmen wir Stellung gegen Ihr weiteres Vorhaben, am Institut für
Archäologische Wissenschaften den Lehrstuhl für Klassische Archäologie nach dem
Ausscheiden von Prof. Dr. Anja Klöckner ab 2035 zunächst durch den Inhaber des
Lehrstuhls für Archäologie und Geschichte der Römischen Provinzen, Prof. Dr. Markus
Scholz mitvertreten zu lassen, in einem nächsten Schritt nach dessen Ausscheiden
2037 eine einzige W2-Professur auszuschreiben, deren noch zu bestimmende
Denomination sowohl die Klassische Archäologie als aus die Archäologie und
Geschichte der Römischen Provinzen umfassen soll, und schließlich 2044 die W2-
Professur für die Archäologie von Münze, Geld und von Wirtschaft der Antike nach
Pensionierung der Stelleninhaberin Prof. Dr. Fleur Kemmers zu einer Professur für
Klassische Archäologie oder Provinzialrömische Archäologie umzuwidmen und die
erst 2023 eingerichtete Professur für Islamische Archäologie und Kunstgeschichte
nach dem Ausscheiden der Stelleninhaberin Prof. Dr. Hagit Nol nicht wieder neu zu
besetzen.
Beide Pläne würden nicht nur durch massiven Stellenabbau, sondern auch infolge der
Zusammenlegung von inhaltlich und methodisch sich deutlich unterscheidenden
altertumswissenschaftlichen Disziplinen zu einem folgenschweren Profilverlust der
betroffenen wissenschaftlichen Fächer führen. Als Studienort für
Altertumswissenschaften würde Frankfurt im Vergleich zu den beiden anderen
hessischen Universitätsstandorten Marburg und Gießen seine über viele Jahrzehnte
erfolgreich aufgebauten und bis in jüngste Zeit weiterentwickelten Standortvorteile
aufgeben und erheblich an Attraktivität verlieren. Die Aussichten, dass die betroffenen
Fächer auch in Zukunft anspruchsvolle und angesehene Forschungsprojekte
einwerben können, würden stark beeinträchtigt. Und der beabsichtigte Umgang mit
den beiden mit großzügiger Finanzierung der VW-Stiftung eingerichteten Professuren
nach dem Ausscheiden der Kolleginnen Kemmers und Nol dürfte auch die anderen
bedeutenden Förderinstitutionen aufhorchen lassen und die Chancen für ähnliche
Förderung in der Zukunft zunichte machen.
Die schweren mittel- und langfristigen Folgen der für die Altertumswissenschaften im
Fachbereich 09 beabsichtigten Maßnahmen stehen in keinem vernünftigen Verhältnis
zu den erhofften Einsparungen. Vielmehr drohen sie in eine dauerhafte Abwärtsspirale
zu führen, die dann weitere Sparpläne erforderlich machen würde. Das über ein
Jahrhundert sinnvoll und überzeugend herausgebildete Profil der bundesweit und
international in hoher Reputation stehenden Frankfurter Altertumswissenschaften
würde ohne wirklichen Gewinn preisgegeben.
Auch aus fachlicher Sicht können die angedachten Pläne zur Zusammenlegung von
Professuren, die verschiedene Disziplinen vertreten, nicht funktionieren, weder in der
Klassischen Philologie noch in den Archäologien.
Gräzistik und Latinistik steht zwar inhaltlich in engem Bezug zueinander. Doch könnte
eine einzige Professur die beiden inhaltlich sehr weit ausgedehnten und sogar
methodisch in mancher Hinsicht sich unterscheidenden Fächer nicht in erforderlichem
Maße in Lehre und Forschung bedienen. Zu umfangreich sind die jeweiligen
Herausforderungen. Im Gegensatz zu den modernen Philologien sind die
Aufgabenbereiche in Latinistik und Gräzistik nicht verteilt auf Professuren für die
jeweilige Literatur- und Sprachgeschichte bzw. -wissenschaft, sondern die
Erforschung und Vermittlung der jeweils viele Jahrhunderte umfassenden Sprach- und
Literaturgeschichte gehört insgesamt in den Aufgabenbereich einer latinistischen bzw.
einer gräzistischen Professur. Zudem sind in beiden Fächern eine Jahrtausende
umfassende Rezeptionsgeschichte, die für die griechische und für die lateinische
Literatur und Sprache stark unterschiedliche Ausprägungen und damit verbundene
Forschungsfragen bietet, und die im Vergleich zu jüngeren Philologien bereits viele
Jahrhunderte lang ausgebildete und breit verzweigte Forschungsgeschichte zu
überblicken. Eine einzige, Latinistik und Gräzistik bedienende Professur würde daher
der Bedeutung beider Fächer nicht gerecht. Aufgrund der Erfordernisse der
Lehramtsausbildung in der Latinistik würde die geplante Zusammenlegung in
besonderem Maße das Griechische beeinträchtigen. Dabei bietet gerade das Rhein-
Main-Gebiet mit seiner hohen Dichte an Schulen mit altsprachlichem Schwerpunkt
hervorragende Bedingungen für eine praxisnahe Latein- und
Griechischlehramtsausbildung. Aber auch die Latinistik nähme Schaden. Besonders
begabte Studierende, die für eine Promotion infrage kämen, aber auch ausländische
Gastwissenschaftler würden sich eher für Standorte entscheiden, an denen beide
Philologien voll ausgeprägt sind. Auch für benachbarte Fächer wie Archäologie,
Philosophie und Alte Geschichte ist eine enge Vernetzung mit Gräzistik unerlässlich.
Und wie der Namengeber der Universität Frankfurt zu der geplanten Aufgabe der
Eigenständigkeit der Gräzistik gestanden hätte, kann man sich unschwer vorstellen.
Klassische Archäologie und Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen
überschneiden sich ebenfalls in gewissen Bereichen, sind aber, ungeachtet der sich
teilweise ähnelnden Fachbezeichnungen, unterschiedliche, selbständige und
gleichberechtigte Fächer. Die behandelten Regionen, die Forschungsziele bzw.
Fragestellungen und die dafür zu betrachtenden Quellen unterscheiden sich ebenso
wie die daraus abgeleitete Methodik. Während die Klassische Archäologie in Frankfurt
in erster Linie kultur- und bildwissenschaftlich ausgerichtet ist und vorrangig den
Mittelmeerraum betrachtet, arbeitet die Archäologie und Geschichte der römischen
Provinzen historisch-ethnographisch und behandelt schwerpunktmäßig die römischen
Regionen nördlich der Alpen und entlang der Donau. Die verschiedene Befundlage
innerhalb dieser Regionen erfordert auch bei der Feldforschung ein unterschiedliches
Methodenspektrum, das in der Klassischen Archäologie auch Bauforschung und
Architektur einschließt, während in der Archäologie und Geschichte der römischen
Provinzen die vorwiegend als Erdbefunde überlieferten Bodenstrukturen in den
römischen Nordwestprovinzen eine spezifische Grabungstechnik, insbesondere bei
organischer Erhaltung in Feuchtböden, erfordern. Auch außerhalb des
deutschsprachigen Bereichs haben die beiden Disziplinen eine selbstständige
Existenz. Im anglophonen Bereich ist eine Klassische Archäologie, wie sie in Frankfurt
profiliert ist, eher der ‘Ancient Art’, und die Archäologie und Geschichte der römischen
Provinzen eher der ‘Archaeology’ zuzurechnen.
Die erheblichen inhaltlichen und methodischen Unterschiede beider Fächer eröffnen
auch jenseits der akademischen Laufbahn sich unterscheidende Berufsaussichten: die
Klassische Archäologie qualifiziert eher zur Betreuung von Museen und Sammlungen,
während die Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen besonders zu
Denkmalpflege – einem gesetzlichen Auftrag! – und zu Feldarchäologie befähigt.
Wenn die Ausbildung nicht mehr durch Fachvertreter mit spezifischer Venia legendi
erfolgt, sind die Absolventen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr konkurrenzfähig. Eine
Vermengung beider Fächer in einer einzigen ‘Synergieprofessur’ würde zwangsläufig
zur Vernachlässigung des einen oder des anderen Fachs führen. Im universitären
Wettbewerb und auf dem Arbeitsmarkt hätte dies schlimme Folgen.
Abgesehen von den Nachteilen, die die Zusammenlegung selbst mit sich bringen
würde, würde auch die geplante Abfolge der Sparmaßnahmen weitere Schäden
verursachen. Zwei Jahre lang würden Aufgaben der Klassischen Archäologie durch
den Inhaber der Professur für Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen
mitversehen, anschließend beide Fächer zusammengelegt, bis dieser einzigen
Professur mit bislang ungeklärter Denomination schließlich, einhergehend mit der
Abschaffung der deutschlandweit einzigen Professur für antike Numismatik
(Archäologie von Münze, Geld und Wirtschaft der Antike), eine dann wieder neu
einzurichtende Professur für Klassische Archäologie oder für Archäologie und
Geschichte der römischen Provinzen an die Seite gestellt würde. Die letztgenannte
Maßnahme verrät im Übrigen, dass auch in Ihrem Dekanekollegium die Vertretung von
Klassischer Archäologie und Geschichte und Archäologie der Römischen Provinzen
durch eine einzige Professur als eine unbefriedigende Lösung empfunden wird.
In der Außensicht wären diese Maßnahmen jedenfalls schwer durchschaubar und
hätten fatale Auswirkungen für alle drei betroffenen Fächer. Es würde eine langfristige
Unsicherheit geschaffen, die zwangsläufig zur Meidung des Studienstandorts
Frankfurt führen würde. Und was wird dann aus wertvollen universitären Sammlungen,
die von den drei Fächern betreut werden, wenn die Professuren nicht mehr vorhanden
sind?
Derzeit hat Frankfurt im Bereich der Archäologien ein einzigartiges, weithin sichtbares
Profil herausgebildet, das in seiner Ausdifferenzierung zu fruchtbarer Synergie mit
wichtigen lokalen Institutionen führt (Städelmuseum, Liebieghaus, Römisch-
Germanische Kommission des DAI etc.). Die eigenständige Profilierung der drei
Fächer hat die beachtlichen Erfolge bei der Einwerbung von Drittmitteln überhaupt erst
ermöglicht. Mit den geplanten Maßnahmen würde all dies aufs Spiel gesetzt.
Uns ist selbstverständlich bewusst, dass die geplanten Sparmaßnahmen von
finanziellen Engpässen verursacht sind, auf die der Fachbereich 09 zu reagieren hat.
Doch führen die Maßnahmen, die derzeit geplant sind, zu langfristigen Schäden, die
das erhoffte Einsparpotential bei weitem übersteigen. Daher fordern wir Sie dringend
auf, diese Pläne nicht so beschließen, sondern die Suche nach verträglicheren
Lösungen fortzusetzen.
Hochachtungsvoll
Jürgen Hammerstaedt